Scans sind doch Kopien – Hoffnung am Erstattungshimmel!

Scans sind doch Kopien – Hoffnung am Erstattungshimmel!

Die wichtigste Informationsquelle für den Strafverteidiger bildet – neben dem eigenen Mandanten – die Ermittlungsakte. Um die Beweislage und den Verfahrensgang zu beurteilen und mit dem Mandanten besprechen zu können, müssen diese Akten bei Gericht oder Staatsanwaltschaft abgeholt, entheftet, von störenden Knicken und Klammern befreit und sodann durch den Kopierer gejagt werden. Bis zum Ende des letzten Jahrtausends kamen aus dem Kopierer dann in der Regel Reproduktionen der Aktenblätter aus Papier. Seit einigen Jahren können die meisten der angebotenen Geräte allerdings auch scannen und nach anfänglichem Zögern gehen immer mehr Anwaltskanzleien dazu über, mit den entstandenen Pdf-Dateien zu arbeiten. Gerade in größeren Strafverfahren ist dies eine große Arbeitserleichterung, da man mit einem Klick am markierten Lesezeichen, dem eingegebenen Suchbegriff oder in der Lichtbildmappe landet, während der Beisitzer vorne am Richtertisch noch fleißig in den Papierbergen blättert.

Der personelle Zeitaufwand zur Herstellung der digitalen Reproduktion ist absolut identisch. Die Kosten für Ausrüstung und Material dürften sich aufheben. Beim Scannen entfallen zwar Kosten für Papier und Toner, aber man benötigt dafür mehr Datenspeicherplatz und ein mobiles Wiedergabegerät.

Bis zum Jahre 2013 hatten Rechtsanwälte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die für die Ablichtung der Ermittlungsakte entstehen. Unter Ablichtung verstand man sowohl Kopien als auch Scans. Dann folgte mit dem 2. KostRMoG eine Änderung im Wortlaut von sämtlichen Kostengesetzen. Der Begriff „Ablichtung“ wurde in allen Kostengesetzen durch den Begriff „Kopie“ ersetzt, so auch im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz unter der Nummer 7000 des Vergütungsverzeichnisses. Während der Wahlverteidiger nun seinem Mandanten erklären konnte, dass der Aufwand derselbe sei, ob man die Akte nun einscanne oder ob aus dem Gerät eine Reproduktion aus Papier herauskommt, mussten sich die Pflichtverteidiger mit den Rechtspflegern der Gerichte streiten. Wer die Akte gescannt hatte, bekam von den Hütern der Staatskasse keinen Cent mehr erstattet – Nix, Nada, Niente.

Seltsame Blüten trieb die Rechtssprechung, die eine Erstattung dann noch zubilligte, wenn die Akte zuerst kopiert und sodann eingescannt wurde. Aber auch das wurde zumindest in Berlin nicht mitgemacht. Wer den Aufwand ersetzt bekommen wollte, musste zurück in die Steinzeit und anwaltlich versichern, dass ausschließlich Papierkopien gefertigt wurden. Sämtliche Argumente blieben ungehört: dass der Aufwand für Personal und Wartung gleich sei, dass die Abstufung zwischen den ersten 50 Seiten und den darauf folgenden eben genau auf den personellen Aufwand abzielt etc. war den Rechtspflegern egal. Schließlich habe der Gesetzgeber in seiner Begründung klarstellen wollen, dass es sich bei Scans

„nicht um Kopien im Sinne des Gerichts-und Notarkostengesetzes handelt. Kopie im Sinne des Kostenrechts ist die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, beispielsweise Papier, Karton oder Folie“.

Diese Überlegungen findet sich zwar tatsächlich in den Unterlagen zur Begründung der Gesetzesänderung, allerdings explizit bezogen nur auf das Zurückbehaltungsrecht in § 11 GNotKG. Für die Änderung im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hat man einfach nur auf diese Begründung verwiesen. Doch die Gerichte gingen darüber hinweg und machten den Pflichtverteidiger einmal mehr zum Sparschwein der Staatskasse, indem sie die Änderung des Wortlautes so auslegten, dass Scans eben auch für Rechtsanwälte kostenrechtlich nun keine Kopien mehr seien sollten.

Viele Verteidiger haben sich beschwert, gekämpft und geklagt. Alle waren erfolglos. Das Kammergericht Berlin hatte gesprochen. Basta. Alle haben aufgegeben. Alle? Nein – einige unbeugsame Verteidiger machten weiter. Unter anderem der Berliner Kollege Malte Höpfner, der mich beim letzten Strafverteidigertreffen auf die Antwort des Petitionsausschusses auf seine Petition aufmerksam machte, die ich hier gern veröffentliche.

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Entscheidend ist, dass die Bundesregierung damit der durch die Gerichte vorgenommenen Auslegung zu ihren vermeintlichen Überlegungen bei der Begründung der Gesetzesänderung ganz klar entgegentritt:

„Diese Begründung zielt vornehmlich auf das in § 11 GNotKG geregelte Recht von Notaren und Gerichten, Urkunden und sonstige Unterlagen bis zu Zahlung der Kosten zurückzubehalten. Hier macht eine Beschränkung des Begriffs „Kopie“ auf einen körperlichen Gegenstand Sinn. Es war nicht beabsichtigt, auch eine Änderung bei der anwaltlichen Dokumentenpauschale herbeizuführen.

Dem Petenten ist darin zuzustimmen, dass es gute Gründe gibt , die Dokumentenpauschale bereits für das Einscannen zuzubilligen, da der Großteil des Aufwandes mit dem Scanvorgang verbunden ist. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung in Nummer 7000 VV RVG lässt dies nach Einschätzung der Bundesregierung auch nach wie vor zu. Allerdings hat u.a. das Kammergericht Berlin den Anfall der Dokumentenpauschale für eine Scan mit Verweis auf die vorstehend wiedergegebene Gesetzesbegründung zum 2. KostMoG verneint.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung angekündigt, eine gesetzliche Klarstellung anzustreben. Mit diesem Ziel hat sie hierzu und zu anderen Fragen im Zusammenhang mit der Dokumentenpauschale bereits Kontakt mit den Rechtsanwaltsverbänden und den Landesjustizverwaltungen aufgenommen.“

Der Gesetzgeber fühlt sich hier also von der Rechtsprechung reichlich missverstanden und will dies klarstellen.  Die Beratung fand allerdings bereits am 23.06.2016 im Bundestag statt. Im Dezember 2016 hatte der Kollege Burhoff die Entwicklung schon aus dem Bundesjustizminiterium gezwitschert bekommen und darüber berichtet aber eine Änderung ist bislang noch nicht erfolgt.

Hier ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen und es gibt noch Hoffnung, dass die unsinnige Ungleichbehandlung bald endlich ein Ende hat. Vielen Dank an den Kollegen, der bei mir das Thema wieder auf den Bildschirm geholt hat. Weiter so!