Verkehrsstrafrecht – Fahrerflucht / Unfallflucht

Das „Unerlaubte Entfernen vom Unfallort“ – umgangssprachlich auch „Fahrerflucht“ genannt – ist gemäß § 142 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe belegt. Daneben droht unter gewissen Voraussetzungen der Entzug der Fahrerlaubnis oder die Anordnung eines Fahrverbots, sowie der Eintrag von 3 Punkte im Fahrerlaubnisregister in Flensburg.

Geschützt wird die Möglichkeit der Unfallbeteiligten an einer Beweissicherung, um später den entstandenen Schaden beim Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung geltend machen zu können.

Warum sich jemand vom Unfallort entfernt kann unterschiedliche Gründe haben: Manche bemerken es, aber sind so in Eile oder reagieren aus Scham und Panik mit „Flucht“,  andere wollen ein anderes Fehlverhalten nicht offenbaren, weil sie zum Beispiel etwas zu viel getrunken oder gar keine Fahrerlaubnis haben. Doch nicht jeder, der sich vom Unfallort entfernt, hat diesen auch bemerkt. Ablenkungen durch Musik, ein Telefonat oder ein Gespräch mit dem Beifahrer können dazu führen, dass man einen Anstoß gar nicht wahrgenommen hat. Dies ist jedoch Voraussetzung für die Strafbarkeit der „Fahrerflucht“.

Juristen definieren einen Unfall als ein „plötzliches, mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs ursächlich zusammenhängendes Ereignis, durch das ein nicht nur belangloser Fremdschaden verursacht wird.“ Der Fremdschaden entsteht meistens an anderen Fahrzeugen, doch geschützt sind sämtliche fremde Gegenstände wie z.B. Zäune, Verkehrsschilder, Gebüsche und Bäume. Auch Haustiere fallen unter den Schutz der Norm, da der Eigentümer des Tieres ein berechtigtes Interesse an den Feststellungen hat. Wildunfälle fallen hingegen nicht darunter.

Ab wann ist ein Fremdschaden „nicht nur belanglos?“

Die Grenze wird von den Gerichten zur Zeit bei ca. 50,00 € gesehen. Diese Schadensgrenze ist jedoch schnell erreicht. Gerade bei neueren Fahrzeugmodellen mit lackierten Stoßstangen und Park-Assist-Sensoren ist man auch bei einem kleinen Kratzer oft schon im vierstelligen Bereich der Reparatur. Ob es sich um einen „belanglosen“ Fremdschaden handelt, sollte man daher sicherheitshalber gemeinsam mit dem Unfallgegner klären.

Wie lange muss ich nach einem Unfall am Unfallort bleiben, um auf den Fahrzeugbesitzer zu warten?

Die Angemessenheit der Wartefrist hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  1. von dem voraussichtlichen Eintreffen feststellungsbereiter Personen,
  2. dem Grad des Festsstellungsinteresses der Berechtigten und
  3. dem Interesse des Unfallbeteiligten, die Unfallstelle zu verlassen.

All das muss im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden, um im konkreten Einzelfall die angemessene Wartefrist zu bestimmen. Die Entscheidungen zur Angemessenheit reichen von 10 Minuten bei einem geringfügigen Schaden an einem Gartenzaun der Nachts beschädigt wurde, bis zur Unangemessenheit von 105 Minuten, obwohl die Polizei zum Unfallort gerufen wurde und der Verursacher gewartet hat bis zwei Schwerverletzte vom Krankenwagen abtransportiert wurden und das Fahrzeug samt Papieren am Unfallort belassen hat. Ob eine Wartefrist im konkreten Fall angemessen war, kann ich Ihnen als Strafverteidiger auf Grundlage meiner Erfahrung in vielen Fällen einschätzen. Im Gr

Besonderheiten der Strafnorm – Verfassungsmäßigkeit

Die Vorschrift hat eine Sonderstellung im Strafrecht, da die Verpflichtung des Unfallbeteiligten seine Identität zu offenbaren mit dem Grundsatz sich in einem Strafverfahren nicht selbst belasten zu müssen im Widerspruch steht. In vielen Konstellationen wird der Unfallverursacher damit in die Bedrängnis gebracht, mit seinen eigenen Angaben Anhaltspunkte für die eigene Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit (fahrlässige Körperverletzung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Trunkenheitsfahrt etc.) liefern zu müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch die Verfassungsmäßigkeit bejaht:

Das Verbot und die Bestrafung der durch Flucht begangenen Selbstbegünstigung nach einem vorausgegangenen Verkehrsunfall verstoßen nicht gegen das Grundgesetz. Denn aus dem Rechtsstaatsprinzip lässt sich ein Satz des Verfassungsrechts nicht herleiten, nach dem die Selbstbegünstigung als Ausfluss der persönlichen Freiheit straflos oder darüber hinaus immer erlaubt sein müsse. (BVerfGE 16, 191)

Genügt es, wenn ich meine Visitenkarte oder einen Zettel an der Windschutzscheibe hinterlasse?

Ein weiterverbreiteter Irrtum ist, dass man seiner Verpflichtung genügt, wenn man die persönlichen Daten an dem beschädigten Fahrzeug hinterlässt. Die sogenannte „Zettelflucht“ führt nicht zur Straflosigkeit. In vielen Fällen führt sie erst zur Bestrafung, da die Identifizierung zwar ermöglicht wird, die Anforderungen des Gesetzes an den Unfallbeteiligten dadurch allerdings nicht vollständig erfüllt werden.

Einzelfälle aus der Rechtsprechung:

Bitte beachten Sie, dass bereits kleine Änderungen im Sachverhalt eine andere rechtliche Beurteilung zur Folge haben können. Zur Einschätzung eines konkreten Vorwurfs sollten Sie daher immer Kontakt mit einem erfahrenen Strafverteidiger aufnehmen. Dennoch habe ich einige Fälle aus der Rechtsprechung zusammengestellt in denen die jeweiligen Problemkreise näher behandelt wurden.

Der Fahrer muss beim Wegfahren die Vorstellung haben, einen nicht nur belanglosen Schaden verursacht zu haben

Eine Frau hatte beim Parkvorgang ein anderes Fahrzeug beschädigt und war sodann „hektisch“ weggefahren. Diese Feststellungen zum Vorstellungsbild der Fahrerin bezüglich des Fremdschadens reichten dem Kammergericht aber nicht aus und es hob deshalb die bisherige Verurteilung wegen Fahrerflucht auf. „Die Wucht des Anstoßes, dessen Geräuschentwicklung und ihre „irritierte“ und „hektische“ Reaktion tragen zwar die Annahme, die Angeklagte habe die Anstöße bemerkt, erlauben jedoch keine sicheren Rückschlüsse darauf, dass sie sich in dem Bewusstsein entfernt hat, ein (möglicherweise) nicht unerheblich beschädigtes Fahrzeug zurückzulassen“ (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 21.12.2011 – 1 Ss 389/11).

Ein Unfall mit einem Einkaufswagen auf einem Supermarktparkplatz ist ein Unfall im Straßenverkehr

Dem Kunden eines Supermarktes rollte beim Einladen auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz der Einkaufswagen davon, der sodann gegen ein anderes Fahrzeug stieß und einen nicht unerheblichen Schaden verursachte. Der Fahrer entfernte sich sodann ohne Feststellungen zur Person zu ermöglichen. Das Gericht sah darin einen Unfall im Straßenverkehr und verurteilte wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, obwohl das Kraftfahrzeug des Unfallverursachers selbst bei dem Unfall gar nicht bewegt wurde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2011 – III-1 RVs 62/11).

Wer sich ohne Vorsatz vom Unfallort entfernt, aber später darauf aufmerksam gemacht wird, begeht keine Fahrerflucht

Der Angeklagte hatte sich bereits von dem Unfallort entfernt, ehe er von dem Unfallgeschehen Kenntnis erlangte. Der Fahrer streifte einen am Straßenrand parkenden Pkw und fuhr weiter. Eine Zeugin, die den Unfall beobachtet hatte, verfolgte den Angeklagten innerorts rund drei Kilometer und es waren seitdem bereits fünf bis zehn Minuten vergangen, ehe dieser anhielt, um zu erfahren, das er einen Unfall verursacht habe. „Angesichts dieser jedenfalls für innerörtliche Verhältnisse recht großen Entfernung zwischen der Unfallstelle und dem Ort, an dem der Angeklagte von der Zeugin gestellt wurde, und des zwischenzeitlich verflossenen nicht unerheblichen Zeitraumes von mindestens fünf Minuten befand sich der Angeklagte bereits außerhalb des Bereichs, in dem üblicherweise noch die Anwesenheit feststellungsbereiter Personen, insbesondere des Geschädigten, zu erwarten ist.“ Das Gericht sprach den Angeklagten deshalb vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort frei und hob das verhängte Fahrverbot auf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.10.2007, III-2 Ss 142/07 – 69/07 III).

Bei einem Autobahnunfall darf der Fahrer bis zur nächsten Raststätte weiterfahren

Der Beschuldigte hatte bei einem Unfall auf der Autobahn nicht am Unfallort auf dem Seitenstreifen gewartet, sondern fuhr bis zum nächsten Rastplatz der 14 km entfernt war. Es sei ihm zu unsicher gewesen, auf dem Seitenstreifen anzuhalten, weil er dadurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet hätte. Die Staatsanwaltschaft sah darin ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und beantragte die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Gericht wies den Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ab, denn der Beschuldigte war aufgrund einer rechtfertigenden Pflichtenkollision zur Weiterfahrt berechtigt. „Für den Beschuldigten bestand zum einen das Verbot des § 18 Abs. 8 StVO, auf der Autobahn zu halten. Dieses Verbot gilt auch für den Seitenstreifen. Auf der anderen Seite gilt das Halte- und Wartegebot des § 34 Abs. 1 Nr. 1 StVO und des § 142 StGB. Welches dieser Gebote bei einem Unfall auf der Autobahn den Vorrang hat, kann nur im Einzelfall entschieden werden“ (LG Gießen, Beschluss vom 27.11.2013, 7 Qs 192/13).

Weiterführende Fragen beantworte ich Ihnen gern im persönlichen Gespräch

Wenn Sie selbst einer Fahrerflucht beschuldigt werden, stehe ich Ihnen gern mit meiner langjährigen Erfahrung als Fachanwalt für Strafrecht zur Seite. Ich habe bereits in zahlreichen Verfahren erfolgreich auf eine Einstellung des Verfahrens wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort hingewirkt und kann Ihnen den besten Weg für das weitere Vorgehen im Ermittlungsverfahren oder vor Gericht aufzeigen. Rufen Sie mich an.