Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Was ist das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB?

Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist ein strafrechtlicher Tatbestand der Arbeitgeber bestraft, die ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht nachkommen. Nach § 266a StGB ist es strafbar, wenn ein Arbeitgeber die fälligen Beiträge zur Sozialversicherung nicht abführt, unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer ihren Lohn erhalten haben oder nicht. Geschütztes Rechtsgut ist das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversicherung (Fischer in StGB, § 266a, Rn. 2).

Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen § 266a StGB?

Die Strafen für das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt können erheblich sein. Bei einer Verurteilung können Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren verhängt werden, abhängig von der Schwere des Vergehens und den Umständen des Einzelfalls. In besonders schweren Fällen sieht der Gesetzgeber einen Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe vor.

Welche typischen Anwendungsfälle gibt es?

Typische Anwendungsfälle des Straftatbestands des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt umfassen verschiedene Situationen:

  1. Schwarzarbeit: Arbeitgeber melden ihre Beschäftigten nicht zur Sozialversicherung an oder zahlen nur einen Teil davon.
  2. Scheinselbstständigkeit: Personen arbeiten als Selbstständige, obwohl sie in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stehen.
  3. Falsche Angabe der Stundenzahl: Manipulation der geleisteten Arbeitsstunden zur Reduzierung der abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge.
  4. Zahlungsschwierigkeiten aufgrund von Insolvenz: Unternehmen unterlassen die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in finanziellen Krisen.
  5. Teilweise Schwarzlohnzahlungen: Teile des Lohns werden „schwarz“ gezahlt, was die Pflicht zur Abführung von Beiträgen verletzt.
  6. Nichtabführung trotz Anmeldung: Auch wenn ein Arbeitsverhältnis angemeldet wurde, kann es strafbar sein, wenn die Höhe der gezahlten Löhne nicht korrekt angegeben wird.
  7. Arbeitnehmerüberlassung: Bei der Arbeitnehmerüberlassung kann es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommen, wenn ein Unternehmer ohne die erforderliche Verleiherlaubnis Arbeitnehmer überlässt. In solchen Fällen wird der entliehene Arbeitnehmer rechtlich als Angestellter des Entleihers betrachtet, was bedeutet, dass dieser die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen übernehmen muss. Wenn diese Beiträge nicht ordnungsgemäß abgeführt werden, kann dies zu einer Strafbarkeit nach § 266a StGB führen.
  8. Pflegebereich: Im Pflegebereich sind viele Arbeitnehmer, insbesondere ausländische Pflegekräfte, oft nicht korrekt angemeldet. Dies geschieht häufig im Rahmen von 24-Stunden-Pflegeverhältnissen, wo Angehörige Pflegekräfte einstellen, ohne sie ordnungsgemäß bei den Sozialversicherungsträgern anzumelden. Solche Praktiken können zu schwerwiegenden rechtlichen Konsequenzen führen, da die Arbeitgeber verpflichtet sind, alle erforderlichen Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.

Welche Branchen sind besonders betroffen?

Bestimmte Branchen sind besonders anfällig für das Delikt des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt:

  1. Bauwirtschaft: Hier ist Schwarzarbeit weit verbreitet, was zu erheblichen Verlusten an Sozialversicherungsbeiträgen führt.
  2. Reinigungsbranche: Viele Unternehmen versuchen, Kosten zu sparen, indem sie Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß anmelden.
  3. Gastronomie: Hier kommt es häufig zu nicht angemeldeten Arbeitsverhältnissen und Schwarzlohnzahlungen.
  4. Taxigewerbe: Fahrer arbeiten oft als Selbstständige, obwohl sie in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.
  5. Wach- und Sicherheitsgewerbe: Arbeitskräfte werden nicht oder nicht mit dem richtigen Umfang angemeldet.
  6. Landwirtschaft: Saisonale Arbeitskräfte werden häufig nicht angemeldet.
  7. Pflege: ausländische Pflegekräfte werden von Angehörigen angestellt aber nicht angemeldet.

Wie hoch ist der Schaden und die Aufklärungsquote?

In der polizeiliche Kriminalstatistik wurde der durch Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im Jahre 2023 ermittelte Schaden auf 46,56 Mio € beziffert. Der tatsächliche Schaden dürfte weit höher ausfallen, da in dem Bereich wo Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammenwirken eine Aufklärung mit besonderen Schwierigkeiten behaftet ist. Es ist eine Zunahme der Ermittlungsverfahren in den letzten Jahren zu beobachten. Die Aufklärungsquote bei den gemeldeten Fällen ist relativ hoch, da regelmäßig Kontrollen durch das Hauptzollamt durchgeführt werden. In Bezug auf den verursachten sozialversicherungsrechtlichen Schaden wird geschätzt, dass jeder Euro an Schwarzlohn zu einem Beitragsschaden von etwa 64 Cent führt.

Welche aktuellen Urteile sind relevant?

Zwei wichtige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) beleuchten die Anwendung von § 266a StGB und geben einen Einblick in relevante rechtliche Probleme:

  1. BGH-Urteil vom 24.09.2019 (1 StR 346/18): Dieses Urteil stellt klar, dass vorsätzliches Handeln bei der Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen nur dann angenommen werden kann, wenn der Arbeitgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen kennt und deren Verletzung billigend in Kauf nimmt.
  2. BGH-Urteil vom 23.03.2022 (1 StR 511/21): In diesem Fall wurde festgestellt, dass das Landgericht nicht ausreichend geprüft hatte, ob der Angeklagte tatsächlich als Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB galt.

Warum ist eine Erstberatung wichtig?

Eine Erstberatung bei einem erfahrenen Strafverteidiger ist entscheidend, um Ihre rechtlichen Optionen zu verstehen und sich optimal auf mögliche Verfahren vorzubereiten. Besonders in Fällen, in denen Sie möglicherweise gegen § 266a StGB verstoßen haben, kann eine frühzeitige rechtliche Einschätzung helfen, schwerwiegende Konsequenzen zu vermeiden.Akteneinsicht: Es wird empfohlen, Akteneinsicht zu beantragen, um alle relevanten Informationen zu Ihrem Fall zu erhalten und eine fundierte Verteidigungsstrategie entwickeln zu können.

Wie kann ich einen Termin zur Erstberatung vereinbaren?

Bitte zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, um einen Termin für eine Erstberatung zu vereinbaren. Wir stehen bereit, um Ihnen in dieser schwierigen Situation zur Seite zu stehen und Ihre rechtlichen Fragen zu klären.