Kinderpornos gucken für 100,00 €/Stunde – Nicht auf Kosten des Angeklagten

Das OLG Schleswig Holstein entschärft die Kostenkeule durch Sachverständigengutachten in Kinderporno-Verfahren.

Die Polizei lagert in Strafverfahren wegen des Vorwurfs des Besitz oder Verbreitung von Kinderpornographie vermehrt die Auswertung der beschlagnahmten Speichermedien des Beschuldigten an externe IT-Forensik Sachverständigenbüros aus. Hat der Beschuldigte das Pech, in einem Bundesland zu wohnen, in dem diese mitunter recht umfangreiche Tätigkeit ausgelagert wird, sichten dann Mitarbeiter privater Firmen die Festplatten, Speichersticks, DVDs der Beschuldigten auf Dateien die den Tatbestand des § 184b StGB erfüllen könnten. Der Zeitaufwand dafür steigt mit der Größe der Sammlung. Auch wenn diese zu großen Teilen aus Pornografie besteht, die nicht strafbar ist. Dieses Sichten, Trennen und Aussortieren der relevanten Dateien wurde früher mit 85,00 € pro Stunde, inzwischen sogar mit 100,00 €/Stunde berechnet und im Falle der Verurteilung dem Angeklagten als Verfahrenskosten aufgebrummt. Bei den heutigen Speicherkapazitäten und einer gewissen Sammelwut, die sich häufig einstellt, kommen da schnell fünfstellige Beträge zusammen. Hier mal ein Beispiel von der Auswertung der Sammlung eines Mandanten deren Kinderporno Anteil nur 0,2 % betrug:gutachten-rechnung-kipo

 

Sollte er dann auch nur 0,2 % der Kosten zahlen? Nein – gefordert wurden 100%.

Aber mit welcher Begründung wird hier überhaupt Ermittlungsarbeit für die kein besonderer Sachverstand benötigt wird (Pornos gucken und das Alter der Darsteller/innen einschätzen) sehr kostenintensiv ausgelagert? Wo ist da die Grenze? Wenn das so einfach geht, warum beauftragt die Polizei nicht einfach in allen Verfahren Rechtsanwaltskanzleien mit diesem lästigen Schreibkram?

Diese „Kostenkeule“ musste der Strafverteidiger bei der Beratung des Mandanten im Hinterkopf haben und das entsprechende Risiko aufzeigen. Gerade bei Fällen in denen der Vorsatz vom Beschuldigten bestritten wird, weil nur ein kleiner Teil der umfangreichen Pornosammlung den Tatbestand der Kinderpornografie erfüllt und somit ein unbeabsichtigter „Beifang“ möglich erscheint, war eine derartige Einlassung mit dem Risiko behaftet, dass ein Bestreiten des Tatvorwurfs das Verfahren erheblich „verteuert“. Dieser Kostenkeule hat das OLG Schleswig Holstein allerdings nun mit dem Beschluss vom 10.01.2017 ein klare Absage erteilt:

„Indessen sieht der Senat nicht, dass die von der Firma X. GmbH abgerechneten Dienstleistungen die Qualität eines Sachverständigengutachtens hätten. Mangels eines andersgearteten geeigneten Auslagentatbestands sind damit die tatsächlich entstandenen Auslagen mit der Verfahrensgebühr nach GKG abgegolten bzw. aus Haushaltsmitteln zu finanzieren.
Die Aufgabe eines Sachverständigengutachtens besteht darin, dem Richter oder Staatsanwalt die Kenntnis von Erfahrungssätzen zu übermitteln und ggf. aufgrund solcher Erfahrungssätze Tatsachen zu ermitteln (BGH, Urteil vom 18. Mai 1951 – 1 StR 149/51 -, NJW 1951, 771). Die bloße Vornahme einer organisatorischen oder technischen Dienstleistung allein reicht nicht, mag auch hierfür umfangreiches Expertenwissen erforderlich sein.
Damit verbleibt die Leistung der X. GmbH im Bereich der bloßen technischen Dienstleistung. Die – technisch qualifizierte – Erleichterung der im Ermittlungsverfahren ohnehin notwendigen Durchsicht eines Datenbestandes mittels Sichtbarmachung und Vorsortierung allein macht diese Dienstleistung aber noch nicht zu einem Sachverständigengutachten.“
OLG Schleswig-Holstein, 2 Ws 441/16 (165/16)

Das OLG Schlewig-Holstein findet damit richtigerweise zurück zum Grundsatz: „Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen.“