Der Mandant hatte nicht den geradesten Lebensweg, beruflich hatte er sich kürzlich mal wieder neu orientiert und den Auftrag für den Abbruch nebst Entsorgung von drei kleinen Gebäuden auf einem Grundstück in der Provinz angenommen. 25.000,00 erschien viel Geld für das Zerlegen von den paar Steinen, Balken, Ziegeln und Leitungen. Der Auftraggeber zahlte 15.000 bar als Vorschuss und versprach weitere 10.000 nach Abschluss der Arbeiten – das klang verlockend. Während mein Mandant die Abbrucharbeiten vornahm, beauftragte er mit der Entsorgung eine ortsansässige Firma – quasi als Subunternehmer. Diese machte meinem Mandanten aber kein Pauschalangebot, sondern rechnete – aufgrund ihrer Erfahrung – nach Aufwand ab. Mein Mandant hatte das am Anfang wohl etwas unterschätzt. Die Mulden waren schnell voll, die Gebäude aber noch längst nicht weg und die Rechnungen des Entsorgers beliefen sich bereits auf 18.000 €. Von den 15.000 € Vorschuss waren noch 14.000,00 € vorhanden, die der Mandant einem vermeintlichen Geschäftspartner (Name mit „ä“) zur Bezahlung der ersten Rechnungen übergab. Es kam wie es kommen musste: Dieser „Partner“ mit „ä“ und dem Geld ist leider nie beim Entsorger angekommen. Satt dessen soll er sich später nach Portugal abgesetzt haben.
So hat mein Mandant den Sachverhalt geschildert und wurde dafür vom Amtsgericht in erster Instanz wegen Betruges zu einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Dabei hat das Gericht davon abgesehen, dem Hinweis meines Mandanten auf dessen vermeintlichen Geschäftspartner nachzugehen, denn dabei handele es sich nur um eine „Erfindung des Angeklagten“. Die Polizei habe ja schließlich nachgeforscht und eine Person dieses Namens mit „ä“ gäbe es gar nicht. Eine namensgleiche Person im ähnlichen Alter mit der Schreibweise „ae“ sei zwar in der Stadt gemeldet, aber die wohne ja gleich in der Nähe „einer früheren Anschrift des Angeklagten“. Deshalb hat man den gar nicht erst geladen. Und überhaupt seien Barzahlungen in der Baubranche ja „völlig geschäftsunüblich“. Kein Wort davon, dass mein Mandant am Anfang den Umfang der Entsorgungskosten vielleicht nicht richtig eingeschätzt habe, sondern er soll bewusst einen Dumpingpreis angeboten haben, um in das Geschäft zu kommen (ich dachte beim Lesen des Urteils, ich sei im falschen Film gewesen, denn das wurde so nie vom Mandanten geäußert):
In so einer Situation kann man natürlich Berufung einlegen, die erste Instanz abhaken und beim Landgericht erneut den Hut in den Ring werfen; oder man kann – wenn der Mandant gute Nerven hat – auch die Sprungrevision wagen und das Urteil auf Rechtsfehler vom Oberlandesgericht bzw. Kammergericht überprüfen lassen. Das Risiko dabei ist, dass im Falle der Verwerfung einer „Sprung“-revision das Urteil rechtskräftig ist. Die zweite Tatsacheninstanz mit Beweisaufnahme vor dem Landgericht hat man dann „verspielt“. Deshalb sollte man sich als Anwalt auch relativ sicher sein, wenn man so einen Schritt empfiehlt.
Ich war mir sicher – das OLG hat das Urteil sodann auch aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Im zweiten Anlauf vor einer anderen Richterin desselben Amtsgerichts war die Stimmung auf einmal viel entspannter. Der Angeklagte sei unerfahren gewesen und einen fahrlässigen Betrug gebe es nicht, die Zahlung an den Geschäftspartner könne nicht widerlegt werden. Obwohl die Beweislage sich nicht verändert hatte, sah das Ergebnis erheblich besser aus und der Mandant konnte sehr erleichtert einen Freispruch entgegennehmen. Mit dem Wind der gewonnenen Revision im Rücken segelt es sich bedeutend leichter: