Das Kammergericht liebt den Verrat – und hasst den Verräter

Ein Mitangeklagter meines Mandanten in einem größeren Drogenverfahren hatte sich von seiner „Lebensbeichte“ erhebliche Strafmilderungen versprochen – und vom Landgericht auch erhalten. Das Strafmaß war gemessen am eingeräumten Tatvorwurf moderat und mit der Urteilsverkündung wurde der Haftbefehl zwar nicht aufgehoben, aber es wurde beschlossen den Angeklagten vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft zu verschonen. Die dagegen erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte nun beim Kammergericht Erfolg und bietet auf 16 Seiten ein lehrreiches Beispiel dafür, wie findige Juristen jeden Umstand so verdrehen können, dass daraus doch noch ein Strick für den Angeklagten wird. Die Spitze bildet dabei die Widerlegung des Arguments des Angeklagten, dass ein künftiges Leben in der Illegalität für ihn ausgeschlossen sei, da er gegen seine früheren „Geschäftspartner“ ausgesagt habe, damit vielen Leuten auf die Füße getreten und er von diesen nun bedroht werde.

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Willkommen in der harten Realität. Da hat das Kammergericht doch mitgedacht und ist nur fürsorglich, wenn es dem Angeklagten nicht noch zumutet sich in Freiheit den Bedrohungen auszusetzen…

Außerdem noch ein wichtiger Hinweis, was auf jeden Fall behauptet werden muss, damit eine Haftverschonung gewährt werden kann. Der Angeklagte hatte zwar zu einigen Vorwürfen teilweise sogar strafbegründende Geständnisse abgelegt. Die Taten wären ohne seine Angaben also gar nicht nachweisbar gewesen. Der Kommentar des Kammergerichts dazu:

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Na also – er hat selbst noch nicht einmal behauptet, dass bereits durch das Geständnis eine ausreichende Aufarbeitung der Taten erfolgt ist. Na wenn er das noch nicht mal selbst behauptet hat…

Ausführungen zur sozialen Einbindung aufgrund von engen Beziehungen zu Ehefrau, Kindern, Eltern und Freunden kann man sich auch sparen, es sei denn man hat diese Kontakte erst nach der Tat aufgebaut und verfestigt. Andernfalls wird dem folgendes entgegen gehalten:

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Man merke sich also: Eltern, Frau und Kinder am Besten erst nach der Tat anschaffen, um eine soziale Einbindung zu belegen. Das die geständige Einlassung mit dem Bruch zu alten Kontakten in die Illegalität einher geht und damit den verbliebenen sozialen Bindungen eine ganz anderer Wertigkeit zukommt, wird ebenso außer Acht gelassen wie der Umstand, dass die naive Vorstellung eines Ersttäters, er werde schon nicht geschnappt, mit dem bisherigen Vollzug von Untersuchungshaft ein ordentlicher Dämpfer beschert worden sein dürfte.

Weltfremd, zynisch und juristisch einfach „brilliant“.

 

Bang Boom Bang – Hobbysprengmeister vs. Staatsanwaltschaft

Super Cobra, Black Death, U.S. Army Flash Grenade, Little Joe und Big Boy sind nur einige der klangvollen Namen hinter denen sich enorme Sprengkraft verbirgt. Pyrotechnik aus Polen und Tschechien ist beliebt. Einfach und legal in den jeweiligen Ländern erhältlich, beschäftigt es hierzulande dann später in vielen Fällen den Zoll, die Polizei und die Staatsanwaltschaft, denn sowohl Einfuhr, Handel und jeder denkbare Umgang ist in Deutschland strafbar.

Mein eigenes Interesse an derartigen Spielereien hat noch im strafunmündigen Alter schlagartig abgenommen, als sich ein Schulfreund mithilfe einer Aluminiumröhre, Schwarzpulver und dem dringenden Wunsch dieses Pulver  mit einem Hammer noch etwas fester hineinpressen zu wollen, den Spitznamen „9-Finger-Tommi“ einhandelte.

Neben der unmittelbaren Gefahr für die eigene Gesundheit drohen erhebliche Unannehmlichkeiten seitens der Justiz. Dessen scheinen sich viele nicht bewusst zu sein. Anders sind die Angebote in frei zugänglichen Gruppen bei Facebook oder Youtube-Videos mit entsprechenden Kommentaren, in denen diese Sprengstoffe recht offen angeboten werden, nicht zu erklären.

§ 40 Sprengstoffgesetz bedroht jeglichen Umgang mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe. Noch ungemütlicher wird es, wenn eine andere Person durch die Explosion verletzt wird oder „fremde Sachen von bedeutendem Wert“ gefährdet werden. Dann handelt es sich gemäß § 308 StGB um ein Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr. Und eine „Sache von bedeutendem Wert“ ist nicht nur die schicke E-Klasse des ungeliebten Nachbarn, sondern bisweilen schon dessen schnöder Briefkasten:

Unbenannt

Ein bedeutender Sachwert liegt nämlich nach der Meinung des BGH bereits ab 750,00 € vor. Die Schwelle für mindestens ein Jahr Vollpension auf Staatskosten liegt damit erstaunlich niedrig. Das dies in Einzelfällen zu unangemessenen Ergebnissen führen würde, wird von vernünftigen Richtern geteilt und führt in einigen Fällen zu kreativen Wegen der Verfahrensbeendigung um die Konsequenz der umstrittenen Wertgrenze zu umgehen. So auch in dem Fall mit der Briefkastenanlage. Die Verteidigungsansätze für den Anwalt sind vielfältig und neben den Klassikern wie Identifizierung und Vorsatz ergeben sich bei Sachbeschädigungen oft auch interessante Ansätze für einen Täter-Opfer-Ausgleich, wenn der Mandant handwerklich begabt ist und der Anwalt geschickt verhandelt.

Alle sollen Silvester ihren Spaß haben, aber die Gefahren von „Böllern“ sind ernst zu nehmen und gerade im Zusammenspiel mit dem Genuss prickelnder Getränke nicht zu verharmlosen.

In diesem Sinne: Lassen Sie es ordentlich krachen und kommen Sie gesund ins neue Jahr.

 

 

Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug? Nicht so schnell!

Was macht der Polizeibeamte, wenn er gern in einer Wohnung schnüffeln möchte, für die er aber keinen richterlichen Durchsuchungsbeschluss vorlegen kann? Richtig – er droht ein bisschen, dass er den ja nur mal eben Rucki-Zucki anfordern bräuchte oder er bescheinigt sich mal eben selbst die erforderliche „Gefahr im Verzug“, um Einmarschieren zu dürfen.

Leider, leider knicken die meisten Betroffenen unter dieser aufgebauten Drohkulisse ein und stimmen dann teils aus Unkenntnis über die Rechtslage, teils aus purer Überforderung in dieser psychischen Ausnahmesituation einer Durchsuchungsmaßnahme freiwillig zu.

Umso erfreuter bin ich, wenn ich beim Aktenstudium auf Betroffene treffe (hier ein Vater des Beschuldigten) die offenbar ihre Rechte kennen und nicht alles als Gottgegeben hinnehmen, was der Beamte da behauptet:

 

Durchsuchung

 

Wenn man sich der Maßnahme selbstbewusst entgegen stellt (natürlich ohne körperlichen Widerstand zu leisten) ist es dann nämlich auf einmal doch nicht mehr ganz so einfach: es wird aufgeregt telefoniert, weder ein Staatsanwalt, noch ein Richter werden erreicht und am Ende sind erstmal 2 Stunden ins Land gezogen in denen nicht geschnüffelt wurde (und in der Zeit der Betroffene vielleicht mal einen Strafverteidiger angerufen hat, um sich über die Rechtslage zu informieren).

Fairerweise muss man noch erwähnen, dass die Maßnahme in dem obigen Fall später dann tatsächlich doch noch durchgeführt wurde, aber immerhin kann der beauftragte Verteidiger so zumindest hinterher die Rechtmäßigkeit der Maßnahme überprüfen und gegebenenfalls der Verwertung der aufgefundenen Beweismittel widersprechen. Wenn alles freiwillig mitgemacht und herausgegeben wird, begibt man sich dieser manchmal doch wichtigen Chance. Weitere Tipps für das richtige Verhalten bei einer Durchsuchungsmaßnahme finden Sie hier.
 

 

 

Blitzer-Marathon: Die 5 schlechtesten Ausreden wenn Sie geblitzt wurden

Blitzer-Marathon

Unter dem Motto „Deutschlandweit – gemeinsam gegen Schnellfahrer“ fällt am Donnerstag den 18. September 2014 um 6.00 Uhr der Startschuss zum diesjährigen „24 Stunden Blitzer-Marathon“ der Polizei. Was wie ein sportliches Großereignis angekündigt wird, ist eine breit angelegte PR-Aktion, um publikumswirksam auf die Unfallgefahr durch überhöhte Geschwindigkeit hinzuweisen.

Auch die Berliner Polizei beteiligt sich und wird verstärkt Kontrollen durchführen. Es soll an 290 Orten gemessen werden. Eine Übersicht der geplanten Messstellen finden Sie HIER.

„Geblitzt“ wird selbstverständlich auch den Rest des Jahres. In meiner anwaltlichen Beratungspraxis treffe ich immer wieder auf ähnliche Argumentationsmuster der betroffenen Fahrer. Was Erfolg verspricht, wie Sie sich am besten Verhalten und was Sie auf keinen Fall von sich geben sollten, wenn Sie zum „verkehrsaufklärerischen Gespräch“ angehalten werden, erfahren Sie hier:

1. Die Vorsatzfalle: „Ich hatte es eilig, ich habe einen Termin“
„Sie wissen warum wir Sie angehalten haben?“ Die nett klingende Gesprächseinleitung ist tatsächlich eine Vorsatzfalle. Wenn Sie darauf antworten und Zeitdruck als Begründung angeben, zahlen Sie doppelt so viel, als wenn Sie nichts gesagt hätten, denn diese Rechtfertigung deutet daraufhin, dass Sie sich der überhöhten Geschwindigkeit bewusst und damit „vorsätzlich“ zu schnell unterwegs waren. Ohne Erklärung wäre man zu Ihren Gunsten von „Fahrlässigkeit“ ausgegangen. Bei Vorsatz wird die Geldbuße in der Regel verdoppelt.

2. Technische Mängel: „Mein Tacho spinnt/das Gaspedal hat geklemmt.“
Um die Schuld von sich zu weisen, sollten Sie keine technischen Mängel am Fahrzeug erfinden. Derartige Angaben sind relativ leicht zu widerlegen. Zur Feststellung von technischen Mängeln, welche die Verkehrssicherheit gefährden, kann das Fahrzeug von der Polizei sichergestellt und eine teure Überprüfung durch einen Gutachter auf Ihre Kosten angeordnet werden.

3. Für „Vielfahrer“ sollten andere Regeln gelten
Wenn Sie der Auffassung sind, dass es normal sei, dass man als Vielfahrer öfter geblitzt wird und man dies mildernd berücksichtigen müsse, dann liegen Sie falsch. Es gibt kein „Bonussystem“ für das Einhalten der Verkehrsregeln. Auch wer auf den letzten 100.000 km keine Punkte gesammelt hat, muss sich weiter an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Berufskraftfahrer haben eine Vorbildfunktion und müssen daher die Verkehrsregeln genauso beachten wie jemand der nur Samstags zum Einkaufen fährt. Es ergeben sich aber möglicherweise Ansatzpunkte für die Abwendung eines drohenden Fahrverbotes.

4. Abzocken statt „richtige Verbrecher“ jagen
Im ersten Moment ist die Empörung groß. Man fühlt sich abgezockt. Die Stelle ist überhaupt nicht gefährlich. Die Beamten gängeln den braven Bürger anstatt Kinderschänder und Drogendealer aufzuspüren. Der Ärger ist psychologisch verständlich. Schließlich wurde man ertappt, während Unrecht an anderer Stelle vermeintlich nicht mit dieser Intensität verfolgt wird. Allerdings gibt es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Nur weil ein staatlicher Eingriff in einer vergleichbaren oder schlimmeren Situation unterlassen wurde, heißt das natürlich nicht, dass unrechtmäßiges Verhalten gar nicht mehr geahndet werden darf.

5. Scheinbare Verfahrensmängel: Dienstmütze / kein Fotobeweis
Hoheitliches Handeln muss grundsätzlich selbst rechtmäßig sein. Es gibt zahlreiche Fehlerquellen bei der Geschwindigkeitsmessung, doch nicht jedes „Haar in der Suppe“ führt dazu, dass eine Messung ungültig ist. Ein Mythos hält sich sich hartnäckig: „die fehlende Dienstmütze“. Entgegen der landläufigen Meinung ist ein Verstoß gegen die interne Dienstanweisung zum Tragen der Mütze kein Grund, die Messung anzugreifen. Auch ein Fotobeweis ist bei vielen Messmethoden nicht erforderlich. Es ist bei einigen Messmethoden ausreichend, dass der Messbeamte den Wert auf dem Display abgelesen hat. Eine Diskussion vor Ort ist nicht Erfolg versprechend.

Richtige Reaktion:

Die beste Reaktion ist erst einmal ruhig durchzuatmen, um sodann Führerschein und Fahrzeugschein bereit zu halten. Machen Sie keine Angaben zur Sache. Zeigen Sie die Papiere und sobald Sie Post von der Polizei erhalten, beauftragen Sie einen Anwalt mit der Prüfung auf alle Fehlerquellen. In vielen Fällen lassen sich Ungenauigkeiten in der Messtechnik, der Bedienung, der Identifikation, der Zuordnung, der Zustellung, der Beschilderung oder der Dokumentation finden, die dazu führen, dass Sie freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird. Möglicherweise kann ein drohendes Fahrverbot abgewendet werden. Seit der Punktereform im Mai diesen Jahres wird die Fahrerlaubnis bereits bei Erreichen von 8 Punkten entzogen. Es kann sich also durchaus lohnen, genau überprüfen zu lassen, ob der Bußgeldbescheid rechtmäßig ist.

Ein allzeit gute Fahrt wünscht
Rechtsanwalt Kolja Zaborowski

 

„Herr Richter – hier ist ein Haar in meiner Tüte“

Wenn ein gestandener Verteidiger auf allen Vieren durch den Gerichtssaal robbt, dann heißt es: Aufgepasst, jetzt wird es spannend.

Der Kollege hatte engagiert verteidigt und die Kammer mit kreativen Beweisanträgen beschäftigt. Sein Mandant war nach der Anklage der Haupttäter, die anderen Angeklagten hatten bislang geschwiegen. Als „Sockelverteidigung“ wird ein solch gemeinsames prozessuales Vorgehen von mehreren Angeklagten bezeichnet. Nun aber bröckelte es – einer der übrigen Angeklagten hatte seinen Tatbeitrag eingeräumt und den „Haupttäter“ belastet. Er selbst sei aber gar nicht direkt am Ort des Hauptgeschehens gewesen.

Wer diesen Schritt geht, sollte auf alles gefasst sein. Auch und gerade von Seiten des Kollegen dessen Mandanten man gerade „in die Pfanne gehauen“ hat. Was nach Ende des Prozesstages geschah, hat aber auch mich noch überrascht. Mit einem weißen Din A4 Blatt und einer Platikhülle bewaffnet, rutschte der Kollege unter dem Stuhl des „Verräters“ entlang und beförderte mit großer Sorgfalt ein auf dem Boden liegendes Haar in die Hülle, um sodann am nächsten Hauptverhandlungstag den folgenden Antrag zu stellen:

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Ich konnte das Schauspiel recht entspannt von der „Seitenlinie“ beobachten und habe nur gestaunt und gelernt: Ich mag weder den Verrat, noch mag ich die, die den Verrat mögen – dem „Verräter“ geht es aber oft genauso.

Absurde Anstalt: Haftentlassung dient nicht der Eingliederung

Der Mandant saß gerade eine kleine Freiheitsstrafe ab. In der Zeit davor hatte er einige Male den Aufenthaltsort gewechselt und sich nicht immer gleich angemeldet. Die Behörden winkten nun, als er wieder „greifbar“ war, mit zwei kleinen Geldstrafen – insgesamt 595 € – aus älteren Verfahren, die noch offen waren. Finanziell sah es, dank der vorher gefrönten Spielsucht, mal wieder nicht so blendend aus. Es drohte also die Vollstreckung der „Geldstrafen“ als Ersatzfreiheitsstrafen. So weit – so schlecht.

„Aber ich arbeite doch hier drinnen. Da müsste sich schon etwas angesammelt haben.“ Die Kosten einer Unterbringung in der Haft sind mit denen in einem 4-Sterne Hotel vergleichbar, der Komfort entgegen der gängigen Darstellung in der Boulevardpresse leider nicht. Da der Mandant die Gastfreundschaft des Hauses nicht länger aus unbedingt nötig in Anspruch nehmen wollte, machte er den sinnvollen Vorschlag, die Geldstrafen aus dem angesparten „Hungerlohn“ zu zahlen. Dank 5%-iger Zulage für „ungünstige Umgebungseinflüsse“ erhielt er monatlich 240,92 € Arbeitslohn als Außenarbeiter in der Außenkolonne. Das wird dann von der Anstalt auf dem Gefangenenkonto säuberlich aufgeteilt und als Hausgeld, Überbrückungsgeld und Eigengeld auf dem Lohnschein ausgewiesen. Warum diese Aufteilung? Für die unterschiedlichen Guthaben gibt es Verfügungsbeschränkungen. Das Überbrückungsgeld soll dem Zweck dienen, den Lebensunterhalt für den Gefangenen und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen für die ersten 4 Wochen nach der Entlassung sicherzustellen.

Jetzt hatte mein Mandant zwar schon über 1.000 € angespart. Die „Brücke“ war aber noch nicht voll. Die geforderten 1.400 € zuzüglich 1.100 € pro unterhaltsberechtigten Angehörigen waren noch nicht erreicht. Und da dem Anstaltsleiter so sehr an der erfolgreichen Eingliederung des Gefangenen lag, stimmte er nicht zu, aus dem angesparten Betrag die Geldstrafen zu zahlen:

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Stattdessen sollte der Mandant weitere 30 Tage in Haft verbringen, damit er bei seiner Entlassung noch etwas mehr „Brückengeld“ erhält.

Damit hat der fürsorgliche Anstaltsleiter doch alles erdenklich mögliche für eine erfolgreiche Eingliederung des Gefangenen getan, oder? Herr Gauselmann wird´s ihm danken.

Der unbefangene Richter: „Schreiben Sie sich das auch mal hinter die Ohren!“

In einem umfangreichen Schwurgerichtsprozess habe ich die Nebenklage vertreten. Auf der anderen Seite saßen fünf Angeklagte, die von zehn sehr erfahrenen Kollegen verteidigt wurden. Diese hatten ihre Mandanten „zugenagelt“ – also folgten sie dem anwaltlichen Rat und schwiegen. Es sollte eine mühsame, aber auch spannende Beweisaufnahme werden.

Am 30. Verhandlungstag erschien ein die Ermittlungen leitender Kriminalbeamter (bereits zum sechsten Mal), um zu berichten und Fragen zu beantworten. Das tat er dann auch – seit 10.15 Uhr berichtete und beantwortete er. Der Sitzungstag neigte sich dem Ende und als sich um 16.15 Uhr zunächst niemand mehr meldete, um weitere Fragen an den Zeugen zu richten, wollte der Vorsitzende diesen entlassen. Nicht so „voreilig“ – die Ankündigung der „Entlassung des Zeugen“ beflügelte die Motivation eines Verteidigerteams, das sodann einen bereits erschöpfend abgegrasten Themenkomplex bearbeitete. Die Fragen kreisten um eine Vernehmung ihres Mandanten im Ermittlungsverfahren. Nachdem eine Frage vom Gericht bereits als unzulässig – weil bereits beantwortet – zurückgewiesen wurde, folgten weitere Fragen der Verteidiger. Der Vorsitzende kündigte um 16.55 Uhr an, den Sitzungstag beenden zu wollen. Das passte den Verteidigern nicht und die Stimmung kippte. Im Rahmen der folgenden Diskussion entspann sich das folgende, recht amüsante Wortgefecht:

Richter: Sie werden nicht erleben, dass Sie im Anschluss an diesen Prozess nahtlos in Rente gehen können.

Verteidiger: Moment – das schreibe ich mir auf.

Richter: Das können Sie sich ruhig aufschreiben, schreiben Sie sich das auch mal hinter die Ohren!

Ablehnungsgesuche bergen immer Sprengstoff. Es folgen dienstliche Erklärungen der Beteiligten über den genauen Ablauf und den Wortlaut. Die verbliebenen Richter der Strafkammer ziehen sodann einen anderen Richter zur Beratung hinzu und entscheiden unter Ausschluss des abgelehnten Richters darüber, ob das beanstandete Verhalten geeignet ist,

„bei einem verständigen Angeklagten die Annahme hervorzurufen, dass der abgelehnte Richter dem Angeklagten gegenüber eine innere Haltung einnehme, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflusse.“

In den allermeisten Fällen werden Befangenheitsgesuche als unbegründet zurückgewiesen. So auch hier:

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Die „Würdigung“ des „Hinter die Ohren Schreibens“ als bloße „Bekräftigung“ hat mich zwar schmunzeln lassen, aber nicht wirklich überzeugt. Krähe hin oder her. Im Ergebnis aber wohl zutreffend hat der Vorsitzende mit der Ladung des Zeugen für einen weiteren Sitzungstag seine Unbefangenheit noch in der „Nachspielzeit“ gerettet.

In den noch folgenden 75 Hauptverhandlungsterminen habe ich hin und wieder mal nachgesehen: Nichts gefunden – hinter den Ohren des Verteidigers ;o)

 

Verzögerungstaktik – Allianz

Hin- und wieder mache ich es noch: Verkehrsunfallschadensregulierung. Nicht gerade spannend und bei Streitwerten unter 3.000 € auch nicht wirklich lohnend. Aber für meine Stammkunden bin ich natürlich gerne da.

Der Mandant hatte letztes Jahr einen Unfall mit seinem Motorrad. Der Gegner – mit seinem Taxi – hatte ihn auf der Kreuzung einfach übersehen. Im folgenden Ordnungswidrigkeitenverfahren bezahlte der Gegner ein Bußgeld. Zivilrechtlich war die Haftpflichtversicherung von der Allianz nicht so schnell einsichtig. Nachdem der Schaden geschildert und unter Vorlage eines Sachverständigengutachtens beziffert wurde, folgte das übliche Spiel auf Zeit: Fragen nach Vorschäden, obwohl dies bereits im Gutachten beantwortet wurde. Ein Nachbesichtigungsverlangen, obwohl darauf kein Anspruch besteht und nun zur Krönung noch eine weitere kreative Idee des Sachbearbeiters: Da ich in der Zwischenzeit meinen Kanzleisitz verlegt hatte, sollte ich doch bitte eine neue Vollmacht vorlegen:

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Da hatte sich sein Schreiben doch mit meiner letzten Tätigkeit in der Sache überschnitten. Ich habe mich wirklich gefreut dem Sachbearbeiter die passende Antwort schicken zu können:

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Bitte, bitte, liebe Kollegen. Es gibt für dieses Problem nur eine Lösung: Es muss auch bei kleinen Streitwerten viel schneller geklagt werden, damit sich dieses dummdreiste Spiel auf Zeit für die Versicherungen nicht mehr lohnt!

Wer nicht dealen will, muss fühlen!

Der Mandant war mit seinem vorigen Verteidiger unzufrieden. Vor dem Amtsgericht hatte er sich eine saftige Geldstrafe gefangen, obwohl der Kollege ihm doch versichert hatte, dass er ganz sicher freigesprochen werde. Ich sollte mich nun um die Berufung beim Landgericht kümmern. Wenn das Erstgespräch schon mit Kollegenschelte beginnt, halte ich mich erstmal zurück. Was genau zwischen Verteidiger und Mandant besprochen und wie die Beweislage von diesem eingeschätzt wurde, weiß ich nicht weil ich nicht dabei war. Grundsätzlich vertraue ich meinem Mandanten, aber in solchen Fällen halte ich es auch für möglich, dass dieser die Einschätzung des Kollegen nur „selektiv“ wahrgenommen und die Hinweise auf Unwägbarkeiten in der Beweisaufnahme – die den „sichereren Freispruch“ etwas unsicherer machen – ausgeblendet hat.

Also forderte ich zunächst die Akte an. Vorgeworfen wurde meinem Mandanten Sozialleistungsbetrug, er habe ALG II bezogen und dabei eine geringfügige Erwerbstätigkeit nicht angegeben. Die Beweislage sprach eindeutig gegen den Mandanten. Der Sachbearbeiter des Jobcenters hatte angegeben, dass ihm keine Tätigkeit gemeldet wurde, daher wurde auch keine Anrechnung vorgenommen und es kam zur Überzahlung. Auch eine geringfügige Erwerbstätigkeit muss natürlich angegeben werden und die Einkünfte daraus werden ab einem gewissen Betrag auf das ALG II angerechnet. Die Berechnung obliegt dem Jobcenter und nicht dem Leistungsempfänger.

Konnte es tatsächlich sein, dass der Kollege dem Mandanten trotzdem einen „sicheren“ Freispruch versprochen hat? Ich wollte es erst nicht glauben aber dann las ich weiter in der Akte und fand im Hauptverhandlungsprotokoll folgenden Aufschrei der Empörung des Kollegen:

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Ahhh ja. 30 Jahre als Strafverteidiger im Geschäft und noch nie ein Dealangebot erhalten? Hut ab Herr Kollege. Ihr Ruf als „unnachgiebiger Rächer der unschuldig Verfolgten“ scheint Ihnen voraus zu eilen.

Zugegeben, es gibt schwierige Situationen in den man sehr genau abwägen muss, ob man einem Mandanten dazu rät, auf einen „Deal“ einzugehen. Teilweise wird da bei wesentlich fragwürdigerer Beweislage ein enormer Druck aufgebaut. Dieses Angebot gehörte aber mit Sicherheit nicht dazu…

Den Staatsanwalt vor den Karren gespannt

Heute bestellt – morgen geliefert. So sollte es zumindest sein. Mein Mandant betreibt einen Onlineshop für Unterhaltungselektronik und die Kunden erwarten – zu Recht – eine prompte Bearbeitung ihrer Bestellungen. In den meisten Fällen funktioniert dies auch.

Aber wehe wenn das mal nicht so klappt. Wie bei Herrn R. – als dessen bestellte Kamera nicht sofort eintraf – rief er: “ Das ist doch BETRUG. Herr Polizist, Herr Staatsanwalt, Herr Richter schreiten Sie zur Tat“.

Immer wieder werden die Ermittlungsbehörden vorgeschickt, um mit dem Druck eines strafrechtlichen Verfahrens eine vermeintlich bestehende zivilrechtliche Forderung durchzusetzen. Teilweise liegen dem Lappalien und Missverständnisse zu Grunde, die leicht aus der Welt zu räumen gewesen wären. Wenn aber die „Justizmühle“ erstmal in Bewegung geraten ist, kommt es häufig auch trotz sehr leicht zu ermittelnder entlastender Beweislage zum Erlass eines Strafbefehls.

Manchmal wünschte ich mir, dass die objektivste Behörde der Welt, auch hin und wieder mal Ihrem Auftrag zur Ermittlung der entlastenden Umstände nachkäme. Dann hätte sie zumindest in diesem Fall ganz einfach herausbekommen, dass der Mandant neben diesem Meckerkunden schon 33.644 positive Bewertungen von zufriedenen Bestellern vorweisen konnte. Das rückt den erzürnten Erfahrungsbericht des Herrn „R“ vielleicht schon in ein anderes Licht. Wenn man dann noch vom Beschuldigten erfährt, dass der Anzeigeerstatter verschwiegen hat, dass ihm eine Rückerstattung angeboten wurde, da der Artikel nicht auf Lager war, sollte man spätestens den Deckel zumachen. Tat man aber nicht. Der Mandant hatte das alles zwar schonmal so geschildert. Ernst genommen wurde es aber erst als der Verteidiger es etwas detaillierter aufgedröselt hat:

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Meine Empörung legte sich aber auch ganz schnell wieder, als die Einstellungsnachricht erfolgte. Hin und wieder verteidige ich dann doch tatsächlich „Unschuldige“ ;o)