Wer nicht dealen will, muss fühlen!

Der Mandant war mit seinem vorigen Verteidiger unzufrieden. Vor dem Amtsgericht hatte er sich eine saftige Geldstrafe gefangen, obwohl der Kollege ihm doch versichert hatte, dass er ganz sicher freigesprochen werde. Ich sollte mich nun um die Berufung beim Landgericht kümmern. Wenn das Erstgespräch schon mit Kollegenschelte beginnt, halte ich mich erstmal zurück. Was genau zwischen Verteidiger und Mandant besprochen und wie die Beweislage von diesem eingeschätzt wurde, weiß ich nicht weil ich nicht dabei war. Grundsätzlich vertraue ich meinem Mandanten, aber in solchen Fällen halte ich es auch für möglich, dass dieser die Einschätzung des Kollegen nur „selektiv“ wahrgenommen und die Hinweise auf Unwägbarkeiten in der Beweisaufnahme – die den „sichereren Freispruch“ etwas unsicherer machen – ausgeblendet hat.

Also forderte ich zunächst die Akte an. Vorgeworfen wurde meinem Mandanten Sozialleistungsbetrug, er habe ALG II bezogen und dabei eine geringfügige Erwerbstätigkeit nicht angegeben. Die Beweislage sprach eindeutig gegen den Mandanten. Der Sachbearbeiter des Jobcenters hatte angegeben, dass ihm keine Tätigkeit gemeldet wurde, daher wurde auch keine Anrechnung vorgenommen und es kam zur Überzahlung. Auch eine geringfügige Erwerbstätigkeit muss natürlich angegeben werden und die Einkünfte daraus werden ab einem gewissen Betrag auf das ALG II angerechnet. Die Berechnung obliegt dem Jobcenter und nicht dem Leistungsempfänger.

Konnte es tatsächlich sein, dass der Kollege dem Mandanten trotzdem einen „sicheren“ Freispruch versprochen hat? Ich wollte es erst nicht glauben aber dann las ich weiter in der Akte und fand im Hauptverhandlungsprotokoll folgenden Aufschrei der Empörung des Kollegen:

Bildschirmfoto 2014-08-20 um 11.11.56

Ahhh ja. 30 Jahre als Strafverteidiger im Geschäft und noch nie ein Dealangebot erhalten? Hut ab Herr Kollege. Ihr Ruf als „unnachgiebiger Rächer der unschuldig Verfolgten“ scheint Ihnen voraus zu eilen.

Zugegeben, es gibt schwierige Situationen in den man sehr genau abwägen muss, ob man einem Mandanten dazu rät, auf einen „Deal“ einzugehen. Teilweise wird da bei wesentlich fragwürdigerer Beweislage ein enormer Druck aufgebaut. Dieses Angebot gehörte aber mit Sicherheit nicht dazu…