Wenn ein Zeuge nicht das tun will, was er eigentlich soll – nämlich aussagen (am Besten noch die Wahrheit) dann muss man manchmal kämpfen. Wenn dieser Zeuge noch der eigene Mandant ist, dann für sein Recht, den Mund zu halten. Die ehemalige Bürogemeinschaftskollegin Lexxi Lawfighter hat daher schon die passenden Worte für das Übersendungsschreiben gefunden als sie mir die Entscheidung in mein neues Büro nachschickte:
Aber was war dem vorausgegangen? Zauberei? Dealerei? Nö – aber viel Schreiberei und etwas Mosaiktheorie.
Der Mandant war wegen ein paar Drogengeschäften vom Landgericht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. In dem Verfahren hatte ich aufgrund der Beweislage eine Erklärung mit einem „schmalen Geständnis“ für ihn abgegeben. Auf einen der vermeintlichen Lieferanten (den wir in der Erklärung nicht namentlich benannten) hatte man es nun abgesehen und wollte meinen Mandanten deswegen staatsanwaltschaftlich als Zeugen vernehmen. Das Aussageverweigerungsrecht – nach dem man die Aussage komplett und ohne Begründung verweigern kann – gilt nur für Beschuldigte bzw. Angeklagte. Sobald man rechtskräftig verurteilt worden ist, unterliegt man für diese Fälle normalerweise den allgemeinen Zeugenpflichten. Für diesen gilt nur das Auskunftsverweigerungsrecht, d.h.: er darf nur die Antwort auf solche Fragen verweigern, mit deren Beantwortung er sich selbst oder nahe Angehörige in die Gefahr der Strafverfolgung begeben würde. Hier war es allerdings so, dass 93 Fälle der Anklage gegen meinen Mandanten in der Hauptverhandlung als unwesentliche Nebenstraftaten eingestellt worden waren. Diese eingestellten Fälle können aber relativ schnell wieder aufgenommen werden. Dann hätte mein Mandant vielleicht 93 weitere Probleme, die im Endergebnis seine Zeit der freien Kost und Logis in der JVA erheblich verlängern könnten, denn ob die vermeintlichen „Nebenstraftaten“ wirklich nur so nebensächliche Sachen betrafen, will ich jetzt mal nicht näher beleuchten. Deshalb lag ihm sehr daran, gar nichts weiter auszusagen. Diese Petzerei hilft in der Regel nämlich keinem, außer den Ermittlungsbehörden: die Beschuldigten werden gegeneinander ausgespielt und am Ende bekommen alle etwas mehr, als wenn alle konsequent geschwiegen hätten.
Ich wollte also zunächst mal die Akte gegen den nun beschuldigten vermeintlichen Lieferanten einsehen, um meinen Mandanten ordentlich beraten zu können. Das hat man auch schnell eingesehen – was keineswegs selbstverständlich ist, denn oft wird der Zeuge nur mit wenigen Worten über das Beweisthema informiert:
Das mit dem „nichts sagen wollen“ hat dann schon etwas mehr Widerstand hervorgerufen. Also hilft – nur das Bundesverfassungsgericht:
Das Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen kann allerdings zu einem kompletten Zeugnisverweigerungsrecht erstarken, wenn der Zeuge keine Angaben machen kann, ohne in die Gefahr zu geraten, vor der § 55 ihn schützen will“ (Bundesverfassungsgericht 1999).
und der BGH:
Besteht die Gefahr, dass der Zeuge Auskünfte über Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude geben und damit zugleich potentielle Beweismittel gegen sich selbst liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar. (BGH 1987)
Ich habe das Ganze dann mal etwas aufgedröselt und auf drei Seiten begründet. Hier nur der Abschluss:
Manchmal schon schön – so ein Mosaik!