Die Beleidigung von Personen des politischen Lebens
Als Fachanwalt für Strafrecht in Berlin berate und vertrete ich Mandanten bundesweit zu allen Fragen rund um die strafbare Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegenüber Personen des politischen Lebens. Die Vorschrift des § 188 StGB soll gezielt Amtsträger und politisch exponierte Personen vor Angriffen schützen, die ihre Arbeit und das Vertrauen in demokratische Prozesse massiv beeinträchtigen könnten. Gleichwohl dürfen diese Schutzmaßnahmen nicht die Meinungsfreiheit und legitime Regierungskritik einschränken.
Überblick: Was regelt § 188 StGB?
Wer ist eine „Person des politischen Lebens“?
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Personen, die aktuell im politischen Leben des Volkes stehen (z.B. Bundes- und Landespolitiker, Minister, Bürgermeister, aber auch Mitglieder politischer Parteien auf kommunaler Ebene).
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Die Betätigung muss einen direkten Bezug zur staatlichen Ordnung, Verwaltung, Gesetzgebung oder öffentlichen Meinung haben.
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Nicht automatisch umfasst: Künstler, Journalisten, sonstige Prominente ohne politische Funktion.
Welche Handlungen sind strafbar? Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede
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Beleidigung (§ 185 StGB): Schmähungen, die das Ansehen verletzen.
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Üble Nachrede (§ 186 StGB): Das Behaupten oder Verbreiten ehrverletzender, nicht erweislich wahrer Tatsachen.
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Verleumdung (§ 187 StGB): Bewusst unwahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen.
§ 188 StGB verschärft die Strafen, wenn der Angriff geeignet ist, das öffentliche Wirken der Person erheblich zu erschweren und im Zusammenhang mit der politischen Funktion steht.
Welche Strafe droht? Verschärfter gesetzlicher Strafrahmen
Tatbestand | Regulärer Strafrahmen | Strafmaß wenn Politiker betroffen sind |
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Beleidigung (§ 185 StGB) | Bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe | Freiheitsstrafe bis 3 Jahre nach § 188 StGB |
Üble Nachrede (§ 186 StGB) | Bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe | Freiheitsstrafe von drei Monaten bis 5 Jahre nach § 188 StGB |
Verleumdung (§ 187 StGB) | Bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe | Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis 5 Jahre nach § 188 StGB |
Häufige Fragen und Antworten
Wann liegt eine strafbare Beleidigung von Politikern vor?
Eine Beleidigung von Politikern nach § 188 StGB liegt vor, wenn eine im politischen Leben stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch das Verbreiten eines Inhalts herabgewürdigt wird und die Äußerung geeignet ist, ihr öffentliches Wirken erheblich zu erschweren.
Wie grenzt sich die normale Beleidigung (§ 185 StGB) von § 188 StGB ab?
Im Gegensatz zur normalen Beleidigung schützt § 188 StGB besonders die Funktion und politische Wirksamkeit der betroffenen Person. Nicht jede kritische oder polemische Bemerkung ist daher gleich strafbar — entscheidend ist, ob die Aussage „aus Beweggründen, die mit der Stellung im öffentlichen Leben zusammenhängen“ erfolgt und ob das politische Wirken dadurch beeinträchtigt wird.
Welche Rolle spielt die Meinungsfreiheit?
Die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) bleibt geschützt. Gerichte prüfen sorgfältig, ob eine Äußerung als zulässige Kritik im politischen Diskurs verstanden werden kann. Nicht jede harte oder überspitzte Kritik ist verboten. Politische Amtsträger müssen grundsätzlich auch „härtere Bandagen“ im Meinungskampf hinnehmen, solange die Grenze zur Schmähung oder Verleumdung nicht überschritten wird.
Ist Machtkritik und politische Satire zulässig?
Ja, Machtkritik ist ein zentraler Bestandteil demokratischer Diskurse. Satirische und scharfe politische Äußerungen genießen einen besonderen Schutz. Erst wenn die Grenze zur ehrverletzenden Schmähung oder unwahren Tatsachenbehauptung überschritten wird, greift die Strafbarkeit nach § 188 StGB ein.
Welche Verteidigungsansätze gibt es bei dem Vorwurf des Verstoß gegen § 188 StGB?
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Identitätsfrage: War der Beschuldigte tatsächlich Urheber der Aussage (z.B. im Internet)?
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Wahrheitsbeweis: Im Falle übler Nachrede können wahre Tatsachen nicht bestraft werden.
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Abgrenzung zur Meinungsfreiheit: Handelte es sich um zulässige Kritik im politischen Kontext? Kontext, Wortlaut und Reichweite sind zu würdigen.
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Fehlender Bezug zum politischen Leben: Ist das Opfer tatsächlich eine Person des politischen Lebens im Sinne des Gesetzes.
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Erheblichkeitsschwelle: Ist die Äußerung geeignet ernsthaft an der Integrität oder Lauterkeit der politischen Person zweifeln oder das politische Wirken der Person in Frage stellen.
Aktuelle Urteile und Strafen nach § 188 StGB
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BayObLG, Urteil v. 06.03.2025: Die Bezeichnung des damaligen Bundeskanzlers als „Volksschädling“ im Rahmen einer kleinen Versammlung (ca. 100 Personen) wurde ausdrücklich nicht als „Politikerbeleidigung“ nach § 188 StGB gewertet. Das Gericht stellte klar, dass auch hier die Gesamtumstände inkl. Reichweite und Ernsthaftigkeit der Beeinträchtigung zu prüfen sind. Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht Ingolstadt freigesprochen, die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde vom Landgericht Ingolstadt verworfen und diese Verwerfung vom Bayrischen OLG gehalten weil keine strafbare Beleidigung oder Verleumdung festzustellen war.
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AG Schwetzingen, Urteil v. 26.06.2023: Schmähende Inhalte gegen einen lokalen Politiker wurden mit einer Geldstrafe geahndet, da hier die Wirkung auf die politische Tätigkeit eingeschränkt war, aber dennoch ein Bezug zum politischen Amt hergestellt werden konnte.
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Einzelfälle: Die Verurteilungen richten sich stark am Einzelfall aus. Teilweise erfolgen Einstellungen wegen Geringfügigkeit, teils werden Geldstrafen oder Freiheitsstrafen auf Bewährung ausgesprochen.
Das Filmplakat „Die Lügner 2.0“ und die aktuelle Rechtsprechung – Was Mandant:innen wissen müssen
Was zeigt das Filmplakat „Die Lügner 2.0“?
Das Plakat „Die Lügner 2.0“ ist eine visuelle Montage im Stil des berühmten Kinoplakats von „Der Pate“. Anstelle der Filmfiguren sind dort prominente Politiker:innen abgebildet, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie diverse Bundesminister. Der Filmtitel wurde in „Die Lügner 2.0“ geändert, das Design lehnt sich klar an das Originalplakat an. Das Bild wird mit Eigenschaften und Werturteilen wie „verlogen“, „korrupt“, „psychisch gestört“, „respektlos“, „senil“, „rücksichtslos“, „realitätsfremd“ kommentiert. Begleittexte werfen den abgebildeten Personen vor, das Land ins Unglück zu stürzen oder die Bevölkerung zu spalten.
Juristische Einordnung: Wo liegt die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Strafbarkeit?
Solche satirischen Darstellungen stehen im Spannungsfeld zwischen grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und dem Ehrschutz nach §§ 185 ff. StGB, insbesondere § 188 StGB („gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“). Gerichte prüfen im Einzelfall, ob
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noch legitime Kritik vorliegt oder
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eine zur Schmähkritik oder diffamierenden Hetze entartete Aussage vorliegt,
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und ob die Äußerung das öffentliche Wirken der politischen Person konkret zu erschweren geeignet ist.
Unterschiedliche Ergebnisse in der Rechtsprechung zum Plakat
Die aktuellen Entscheidungen zeigen, dass die Justiz keineswegs einheitlich wertet, sondern die Umstände jedes Falls sorgfältig berücksichtigt aber dabei zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gelangt:
1. Geldstrafe für das Teilen auf Facebook
Das Landgericht Baden-Baden verurteilte im April 2025 einen Angeklagten zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro wegen Veröffentlichung des Plakats „Die Lügner 2.0“ auf Facebook. Das Gericht sah durch die Eigenschaften wie „verlogen“ und „korrupt“ die Grenze zur erlaubten Kritik überschritten. Im Vordergrund habe nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung, sondern die persönliche Diffamierung gestanden. Entscheidend war, dass der Post als persönliche Herabwürdigung gewertet wurde und nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt war.
2. Freispruch wegen Meinungsfreiheit
In Bayern wurde ein Unternehmer, der eine andere kritische Bildmontage (Anti-Grünen-Plakat) auf seinem Grundstück aufstellte, vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Das Amtsgericht Miesbach stellte klar: Auch scharfe, plakatartige Kritik an Politiker:innen kann unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen, solange keine reine Schmähkritik oder gezielte Herabwürdigung vorliegt. Gerade politische Amtsträger müssen in einer Demokratie deutliche Kritik hinnehmen – auch im Wahlkampf. Das Gericht betonte: „Kritik an den Mächtigen sei nicht per se ehrverletzend.“
3. Geldstrafen in weiteren Fällen
In Süddeutschland wurde ein Rentner für das Teilen eines „Die Lügner 2.0“-Plakats zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. Auch hier wurd das Bild als nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt eingestuft und als persönliche Diffamierung bewertet.
Was bedeutet das für Mandant:innen?
Die Gerichte erkennen an, dass politische Satire und überspitzte Kritik an der Regierungsarbeit grundsätzlich zulässig sind. Entscheidend ist aber, ob eine persönliche Herabsetzung ohne jeden sachlichen Bezug oder sogar gezielte Diffamierung vorliegt – oder ob noch der politische Diskurs im Mittelpunkt steht.
Praktische Hinweise bei Ermittlungsverfahren:
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Die Umstände der Veröffentlichung (Reichweite, Kontext, Intention) sind entscheidend.
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Es wird stets im Einzelfall abgewogen, wie schwer die Äußerung wiegt und ob sie wirklich geeignet scheint, das politische Wirken zu erschweren.
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Nicht jede Anzeige oder jedes Ermittlungsverfahren führt automatisch zu einer Verurteilung – Einstellungen oder Freisprüche sind möglich, insbesondere wenn die Satire-Komponente oder die zulässige politische Kritik überwiegt.
Rechtliche Abgrenzung und Bedeutung für Strafverfahren
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Der Unterschied zur „normalen“ Beleidigung (§ 185 StGB) besteht im erhöhten Strafrahmen und dem besonderen Bezug zur Politik.
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Strafverfahren wegen Beleidigung oder Verleumdung im politischen Kontext werden zunehmend relevanter, vor allem im Internet und auf Versammlungen.
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Die Gerichte wägen im Strafverfahren immer zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Politikers und der Meinungsfreiheit des Bürgers ab. Dies erfordert genaue Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung und diffiziler Abgrenzungen.
Fazit vom Anwalt: Expertise und Verteidigung im Fall des § 188 StGB
Die Strafbarkeit nach § 188 StGB betrifft vor allem Handlungen, die über zulässige Machtkritik und freie Meinungsäußerung hinausgehen und gezielt darauf abzielen, das öffentliche Wirken einer Person des politischen Lebens zu erschweren. Als Fachanwalt für Strafrecht in Berlin unterstütze ich Mandanten bei der Abwehr unberechtigter Vorwürfe, immer mit Blick auf den besonderen Balanceakt zwischen strafbarem Verhalten und demokratischer Diskursfreiheit.
Wenden Sie sich bei Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung (§ 185 StGB), übler Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) im politischen Kontext vertrauensvoll an meine Kanzlei.